Ein wenig ungläubig ist die frischgebackene Bäckergesellin Hanka Timm immer noch, wenn sie erzählt, dass sie ihre Ausbildung nach nur eineinhalb Jahren abgeschlossen hat – und das mit der Traumnote 1,3.
Dabei war der Weg zu diesem Beruf für Hanka Timm alles andere als vorgezeichnet. Vor zwei Jahren arbeitete sie noch in einer ganz anderen Branche – und in einem ganz anderen Land.
Nach dem Abitur absolvierte die gebürtige Berlinerin eine Ausbildung als Hotelfachfrau und blieb der Tourismusbranche lange treu. Nach der Ausbildung studierte sie „International Tourismusmanagement“ und kam im Rahmen eines Praktikums bei einem kleinen Reiseveranstalter zum ersten Mal nach Auckland in Neuseeland. Sie verliebte sich in Land und Leute. Was ist so Besonderes an Neuseeland? „Die Herzlichkeit der Menschen und der unkomplizierte Umgang miteinander.“ Nach dem Bachelor trat sie eine erste Stelle in Stuttgart an, aber schon nach wenigen Monaten meldete sich eine ehemalige Kollegin aus Neuseeland, mit der sie in freundschaftlichem Kontakt geblieben war. Der kleine Reiseveranstalter war von einem großen aufgekauft worden und suchte nach einer Mitarbeiterin aus Deutschland. Ein 15-Minuten-Vorstellungsgespräch per Skype endete mit einem Jobangebot. Schwieriger war es, ein Arbeitsvisum für Neuseeland zu bekommen: viele bürokratische Hürden und ein umfangreicher Medizincheck waren zu absolvieren, aber am Ende hat auch das geklappt.
2012 wurde Neuseeland zu Hanka Timms neuer Heimat. Insgesamt 8 Jahre, bis Anfang 2020 blieb sie in Auckland bei dem Reiseveranstalter und plante Touren für Touristen, die das Land kennen lernen wollten. Schließlich erhielt sie sogar eine „permanent residency“: eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, die es ihr ermöglicht, jederzeit in Neuseeland zu leben und zu arbeiten.
Anfang 2020 traf Corona auch die Reisebranche in Neuseeland. Gleichzeitig merkte Hanka Timm, dass es für sie Zeit für eine Veränderung wurde und kehrte im März 2020 mit einem der letzten Flieger vor dem Lockdown nach Deutschland zurück – nach Stuttgart, wo sie familiären Anschluss hat. Zunächst arbeitete sie noch einige Monate im Homeoffice für ihren neuseeländischen Arbeitgeber. Doch der Gedanke, dass sie etwas Neues machen möchte, ließ Hanka Timm nicht los. Schon in den letzten Jahren in Neuseeland war sie zunehmend fasziniert vom Thema Backen, probierte viel in der heimischen Küche und stöberte im Internet. Ihr großes Vorbild ist die Backbuchautorin und Berliner Cafébesitzerin Cynthia Barcomi, von der sie sich immer wieder inspirieren ließ. So reifte ihr Entschluss, den Beruf der Bäckerin zu ergreifen. „Einen Teig zu bearbeiten und daraus Gebäcke zu bereiten, hat etwas ungeheuer befriedigendes“ beschreibt sie ihre Leidenschaft. Ein Quereinstieg kam für sie nicht in Frage – sie unterschrieb bei der Bäckerei Lutz in Ludwigsburg einen Ausbildungsvertrag über zwei Jahre. „Ich wollte das Bäckerhandwerk von Grund auf lernen“ begründet sie ihren Entschluss. Den schulischen Teil ihrer Ausbildung absolvierte sie an der Oscar-Walcker-Schule und fiel dort sofort durch ihren Wissensdurst auf. „Sie hat den Lernstoff geradezu aufgesaugt“ erzählt ihre Klassenlehrerin Antje Döll-Schmitt.
In der Bäckerei Lutz durchlief sie alle Bereiche: von der Teigmacherei bis zum Ofen, von der Konditorei bis zum Versand. Auch Corona stellte keine Hürde dar: „Wir Bäcker haben ja die ganze Zeit gearbeitet. Und mit dem Fernunterricht an der Oscar-Walcker-Schule bin ich gut zurecht gekommen.“. So gut, dass sie die Zwischenprüfung nach dem Frühjahrs-Lockdown 2021 mit der Note 1 absolvierte. Damit konnte sie ihre Ausbildungszeit auf nur eineinhalb Jahre verkürzen.
Wie geht es jetzt weiter? Die eingesparte Ausbildungszeit möchte Hanka Timm nutzen, um weiter zu lernen. „Ich stehe ja noch ganz am Anfang“ betont sie und wird ihren Wissendurst im nächsten halben Jahr bei einem anderen familiengeführten Betrieb stillen: der Traditionsbäckerei Lipp in der kleinen Gemeinde Rückholz im Allgäu.
Und dann? Geht es wieder zurück nach Neuseeland? „Auf jeden Fall“, antwortet Hanka Timm. Ihr großes Ziel: Neuseeländer und dort lebende Europäer mit deutschen Backwaren verwöhnen. „Brezeln und Sauerteig kommen dort gerade in Mode.“ Aber vorher hat sie noch einen anderen Traum: einmal bei ihrem großen Vorbild Cynthia Barcomi arbeiten.