Coronabedingt war es lange leider nicht möglich mit Klassen auf Exkursionen oder sonstige Fahrten zu gehen, also außerunterrichtliche Aktivitäten zu unternehmen, die den Schulalltag sonst bereichern und Abwechslung bieten. Bis jetzt, denn dank sinkender Corona-Fallzahlen konnte die TGU 12 der Oscar Walcker-Schule am 05. Juli diesen Jahres nach über einem Jahr ohne solche Fahrten zu einer Tages-Exkursion in die Gedenkstätte Grafeneck aufbrechen.
In Jahrgang 12 ist das Thema Nationalsozialismus im Fach Geschichte mit Gemeinschaftskunde fest im Lehrplan verankert. Unter anderem geht es hier auch um die Opfer dieser Zeit sowie den Umgang mit Gedenken und Erinnerung.
Die Gedenkstätte Grafeneck ist ein Ort, an dem den Opfern der so genannten NS-„Euthanasie“ gedacht wird. Zwischen 1940 und 1941 wurden im Rahmen der „T4-Aktion“ (die Zentrale der Organisation der Morde befand sich in der Tiergartenstraße 4 in Berlin) insgesamt über 70.000 Menschen in eigens zu diesem Zweck eingerichteten Tötungsanstalten ermordet, da man ihr Leben als nicht lebenswert und als Ballast für den Staat und die Gesellschaft empfand. Unter den Opfern befanden sich Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen sowie jene, die der NS-Staat als „asozial“ und somit als „Ballastexistenz“ deklarierte. Grafeneck war eine von diesen sechs Tötungsanstalten. Hier fanden von Januar bis Dezember 1940 zwischen 10.000 und 11.000 Menschen in einer Gaskammer den Tod.
Die Gedenkstätte Grafeneck erinnert heute an das Schicksal dieser Opfer. Die Schülergruppe der TGU12 erhielt zunächst in einem Vortrag im alten Schloss auf dem Gelände einen Einblick in die Vorstellungen und der Planung der „Euthanasie“, erfuhr Nähres über die Täter und natürlich über die Opfer. Danach folgte ein Rundgang über das Gelände. Heute befinden sich auf dem Gelände neben der Gedenkstätte auch Wohnheime der Samariter für Menschen mit Behinderung. Das Gelände der Gedenkstätte beinhaltet das alte Schloss, in dem die Täter damals wohnten und das heute als Ort für Seminare und Führungen für Schulklassen genutzt wird, den vermutlichen Standort der Gaskammer, die später abgerissen wurde sowie den Friedhof und das Dokumentationszentrum mit Dauerausstellung zur NS-„Euthanasie“. Die Gaskammer ist nicht mehr vorhanden, aber einige Steine sollen rekonstruieren, wo sie sich damals vermutlich befunden hat. Das Dokumentationszentrum informiert in einer Dauerausstellung über die Geschichte Grafenecks. Außerdem kann man sich dort gegen eine kleine Spende eine von 10.665 Terracotta-Figuren mitnehmen, die der Künstler Jochen Meyder in Erinnerung an jeden der in Grafeneck 1940 ermordeten Menschen modelliert hat. Jede dieser Figuren sieht anders aus, sind so individuell wie es auch die Menschen waren, denen man das Leben nahm, weil man es als lebensunwert erachtete. Wer heute eine Figur mitnimmt, gibt den Opfern wieder einen Ort und eine Stimme, das ist der Gedanke hinter diesem wirklich schönen und eindrucksvollen Projekt.
Zum Abschluss des Seminars informierte sich die Schuklasse über die Formen des Gedenkens in Grafeneck. So gibt es einen zentralen Gedenkort am Friedhof, Erinnerungstafeln auf dem Friedhof sowie ein Buch, das die Namen aller bekannten Opfer, die in Grafeneck den Tod fanden, enthält.
Die Schüler waren beeindruckt und sichtlich auch berührt von den Ereignissen in Grafeneck und dem grausamen und menschenverachtenden Schicksal der dort Getöteten. Ein Schüler drückte seine Gefühle aus, indem er darauf hinwies, dass durch einen Blick in das „wirklich dicke Buch“ mit den Namen der Opfer „viel bewusster wird, dass es so viele Menschen waren, als wenn man nur die Zahlen hört“.
Insgesamt war die Exkursion nach Grafeneck für die Schülerinnen und Schüler sehr beeindruckend. Wir danken den Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte für die wirklich informative und schülernahe Führung.